Ist es wirklich so, dass Männer immer wollen und Frauen immer abwehren?
Er sexsüchtig, sie frigide? Tja, wenn einer mehr will als der andere gibt’s Probleme. Der Psychologe und Psychotherapeut Dr. Elmar Teutsch beleuchtet diese prekäre Bett-Situation, bringt statistische Daten und wissenschaftliche Fakten dazu, zeigt Auswege und gibt praktische Tipps zur Lösung. Zum Start ein Fallbericht aus unserer Praxis, Roman L. aus Brixen, 36, Verkäufer (alle Namen und Daten geändert!) klagt:
„Wir sind jetzt seit 15 Jahren zusammen, seit 9 Jahren verheiratet, eigentlich geht es uns ganz gut, nach außen haben wir alles, was man so haben sollte: Kinder, Haus, Auto … Und doch bin ich einfach nicht zufrieden, wir haben ein großes Problem: immer wenn ich Sex will, beklagt sich meine Frau, ich wäre unersättlich. Immer muss ich anfangen, sie hat nie Lust. Ich habe ihr schon gedroht, wenn das so weiter geht werde ich mich anderweitig umschauen.“
Schuld hat zum Glück immer der/die Andere. Das heißt dann schnell: „Sie mag nie, sie hat nie Lust, ich glaub’ sie ist frigide!“ Oder: „Hilfe, mein Mann ist ein Sexmonster, testosterongetrieben und penisgesteuert!“. Ist es wirklich so, dass Männer immer wollen und Frauen immer abwehren? Also, den gesteigerten Sexualtrieb gibt es natürlich schon. Aber: wenn ein Mann tatsächlich von unersättlicher Sexgier getrieben ist, liegt das weniger an den überbordenden Hormonen als vielmehr an dem kaum stillbaren Hunger nach Bestätigung, egal ob es bei der eigenen Frau ist („sie liebt mich wirklich“) oder bei anderen („ich bin unwiderstehlich“). Wenn Männer auf diese Weise aushäusig unterwegs sind, bekommen sie den Namen „Casanova“ oder „Don Juan“, oft mit einer gewissen Bewunderung garniert. Sollte dieser Drang hingegen eine Frau überkommen, was es auch gibt, nennt man sie in Anlehnung an die verführerischen Naturgeister der griechischen Mythologie eher abschätzig Nymphomanin. Auch wenn statistisch gesehen mehr Männer als Frauen unter Hypersexualität leiden, das Prinzip ist immer das selbe: ob Männlein oder Weiblein, möglichst viele Partner zu bekommen steigert die wohl mickrige Selbsteinschätzung und gibt das Gefühl: „Was bin ich doch für eine heiße Frau / ein toller Hecht!“
Und in einer Partnerschaft, wer hat da recht, wer hat da Schuld? Welchen Sinn macht es überhaupt, dem jeweils Anderen die Schuld zu geben? Ist wirklich er sexsüchtig, sie frigide? Klar: streiten kann man da wunderbar und ewig, doch ändern tut das gar nix. So wird das Ehebett, das eigentlich eine Stätte der Ruhe und der Freude sein sollte, zum Kampfplatz. Schade.
Bild: Egal, WER von beiden zu viel will oder zu wenig –
Ungleichgewicht in den Wünschen schafft Probleme,
gerade bei einem so heiklen Thema!
Foto: TELOS – Aufnahme aus unserer Symbolgalerie
Deshalb hier 3 Lösungsansätze zum Nachdenken:
Die Statistik weiß, wie immer, Bescheid. Der Durex-Repot vermeldet: „Durchschnittlich zweimal pro Woche hat der Mitteleuropäer Geschlechtsverkehr“. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass diese Zahl den Durchschnitt aller Altersstufen beschreibt. 20- bis 29-jährige Männer treiben es vier- bis fünfmal pro Woche, über 60-jährige nur noch ein- bis zweimal pro Monat. Wie lange so eine Runde dauert? 17,2 Minuten im Durchschnitt. Junge Paare brauchen etwas über 18, Singles nehmen sich über 21 Minuten Zeit und eingespielte Ehepaare haben bereits in nicht einmal einer viertel Stunde alles erledigt. Auch der Erfindungsreichtum im Bett variiert von Land zu Land (wie, das sei hier nicht verraten, wir wollen keinen Sextourismus ankurbeln, sie sollen Ihr Glück, auch das sexuelle schließlich nicht unterwegs finden, sondern im trauten Heim, das währt am längsten), von der Dauer der Beziehung und schließlich von Paar zu Paar.
Übrigens: Je mehr Fernsehen, desto weniger Sex, bei Stromausfällen schnellt 9 Monate später die Geburtenrate nach oben …
Was ist also normal? Gar nichts! Offizielle Normen und gesetzliche Vorschriften sind unzählbar und reichen bis zur Klimahausverordnung und zum Bananenkümmungsradius laut EU-Bestimmungen – beim Sex gelten Gottseidank keine Vorschriften, normal ist das was BEIDEN gefällt. Sollte die eine oder der andere länger unzufrieden sein, gibt es ein Zaubermittel. Es heißt: miteinander sprechen!
Oft liegt es an der Beziehung (festgefahrene Rollen, Sex als Ersatz für Anderes, wenn er als Machtinstrument missbraucht wird, gegenseitiges Aufschaukeln von Wollen und Nicht-Wollen und vieles mehr aus der Palette der Beziehungsscharmützel) oft in der Kindheit (emotionaler, körperlicher oder sexueller Missbrauch, Mangel an Liebe und Zuwendung, ungenügender Körperkontakt, Züchtigungen…), und auch körperliche Erkrankungen (bestimmte Tumore) und seelische Krankheiten (z.B. manische Störungen) können zu übersteigertem Sexualbedürfnis führen. Doch da stellt sich gleich schon die Frage: „Ist es wirklich Sexsucht?“
Hypersexualität beschreibt sich so: Die Gedanken an die schnelle sexuelle Befriedigung nehmen große Teile des Alltags in Anspruch, die Sex-Dosis muss ständig erhöht werden zum Beispiel durch mehrfache Masturbationsanfällen täglich. Ausgelebt wird das manchmal mit Prostituierten, mit teilweise gefährlichen Praktiken, durch Belästigung anderer, sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit oder gar mit Kindern und nicht selten auch durch Einnahme von Drogen. Seit Pornografie im Web überall und anonym verfügbar ist stellt der tägliche stundenlange Konsum als Internet-Porno-Sucht oder Masturbationssucht eine weitere Spielart der Hypersexualität dar. Der Sexsüchtige ist ständig auf der Suche nach sexueller Erfüllung, kommt oft jedoch nicht zu einem sexuellen Höhepunkt und kann auch keine echte innere Bindung zum (jeweiligen) Partner aufbauen. Er bleibt folglich unbefriedigt und führt seine Suche erst recht fort in einem stetig steigendem, unkontrollierbaren Drang. Insgesamt geben die Betroffenen für ihr Leiden oft viel Geld aus und erleben ein Gefühl von innerer Leere, Betroffenheit und Scham – auch wenn sie das nicht zugeben wollen.
Der Suchtcharakter erklärt sich auch physiologisch: beim Sex werden im Gehirn körpereigenen Opiate ausgeschüttet. Diese bewirken einen Erregungsanstieg und einen sofortigen Stimmungswechsel, Ängste und Schmerzen werden reduziert – das verstärkt sich noch, wenn bei der sexuellen Handlung Angst und Risiko im Spiel sind.
Also: bevor Sie die Floskel „er sexsüchtig, sie frigide“ Ihrem Partner oder sich selbst um die Ohren hauen und jemanden als sexsüchtig abstempeln, überprüfen Sie bitte, ob und wie viele dieser Anzeichen tatsächlich zutreffen. Denn regelmäßiges Ausleben der Sexualität ist nicht Sexsucht, sondern ein Zeichen von Gesundheit an Körper und Partnerschaft. Wenn Sie sich wirklich als betroffen identifizieren, sollten Sie allerdings bald einen Therapeuten aufsuchen, der eine klare Diagnose stellen kann und bei Bedarf die richtige Therapie einleiten. Dabei lernen die Betroffenen wieder Intimität ohne Sexualität zu erleben und negative Gefühle zuzulassen, ohne sie mit Sex zu verdrängen und eine gesunde Beziehung zu sich selbst aufzubauen, da dies erst die Beziehung zu anderen und zur Sexualität ermöglicht.
In 99% der Fälle wird es jedoch keine krankhafte Sexsucht sein, sondern eine Unausgewogenheit in der Partnerschaft und im seelischen Empfinden der einzelnen. Und das lässt sich weitaus leichter ins Lot bringen. An erster Stelle steht auch hier das offene Gespräch der beiden Partner, ein Buch mit Tipps und Hintergründen kann dabei helfen. Wenn das langfristig nichts bringt, sollten Sie als Paar den Weg zum Therapeuten einschlagen, er kann ihnen mit speziellen Übungen helfen, die Sexualität, dieses wichtige Element von Menschen und Partnerschaft, erfüllt und freudvoll zu leben!
Negative Erfahrungen in der Vergangenheit, medizinische Probleme, religiöse Hemmungen, seelische Blockaden, Orgasmusschwierigkeiten, fixe Vorstellungen, wie der Höhepunkt zu sein hätte („Oh Schreck, meiner ist nicht vaginal, bloß klitoral?“ oder „Hilfe, andere schreien laut, doch ich stöhne bloß“ und andere Unsinnigkeiten) und daraus resultierend das Gefühl von Unzulänglichkeit, Unzufriedenheit über die Art und Weise (Kein oder zu kurzes Vorspiel, Ruckzuckreinraus-Technik, Ganztagslieblosigkeit bei Abendsexforderung, Körpergeruch und mangelnde Hygiene) und vieles mehr. Auch die Kinder, die Früchte der Liebe, können sich manchmal als Liebestöter erweisen. Vielleicht liegt es auch an der Beziehung: die sexuelle Verweigerung ist oft eines der wenigen Mittel, die einer Frau zu Verfügung stehen, wenn sie gegen einen übermächtigen Partner ankommen will oder muss.
Bild: Teilnehmerinnen notieren Lust und Frust zum Thema Sex und geben dann ihre persönliche Einschätzung ab.
Foto: TELOS – Schnappschuss aus einem Seminar über Sexualität.
Zwingen geht nicht: wenn der Akt als Pflicht wahrgenommen wird, kann es dazu führen, dass köperliche Probleme diesen verhindern (die beliebte Candida, wiederkehrende Blasenentzündungen, Scheidentrockenheit, Schmerzen beim Verkehr usw.) und sich die Unzufriedenheit auf die ganze Partnerschaft ausdehnt. Ist wirklich er sexsüchtig, sie frigide? Ist es so einfach?
Die unter der Hand empfohlenen „Zaubermittel“ wie Nashornpulver, Tigerextrakt oder Chili-Einreibungen der betroffenen Stellen sind zumindest dubios, wenn nicht schädlich. Auch aus der Apothekerschublade kommen reichlich chemische Hilfen – für Männer auf Testosterongrundlage und für Frauen z.B. der Wirkstoff Flibanserin – wie Pillen, Pflaster und jetzt auch ein Nasenspray. Aber ob das die Lösung ist? Nach dem Motto: „Schnell reparieren, Nase einschmieren, wieder funktionieren…“
Können Sie sich vorstellen, dass eine Frau, die aus vielerlei Gründen nicht Lust auf Sex hat, begierig ist, sich mit einer Vakuumpumpe sich die Klitoris besser durchbluten zu lassen? Das darf wohl bezweifelt werden. Sinnvoll kann das durchaus sein bei Orgasmusproblemen, anorgasmischen Frauen kann so mitunter geholfen werden, oder auch zur gegenseitigen Freude – doch kaum bei Lustlosigkeit.
Der Satz „Ich hab’ Migräne, Liebling“ rettet Sie nicht. Also Schluss mit der Floskel „er sexsüchtig, sie frigide“! Ein offenes Gespräch ohne gegenseitige Beschuldigungen und ohne sexuellen Erfolgsdruck kann da schon eher helfen. Lernen Sie gemeinsam mit dem Partner, dass es Zärtlichkeit auch ohne Sex gibt und dass nicht jede Berührung zwangsweise ein Bett-Signal sein muss. Bringen Sie gemeinsam ungeklärte Aspekte Ihrer Beziehung in Ordnung. Und äußern Sie Ihre Wünsche!
Bild: Frust, Streit, Elend – das muss nicht sein, es gibt Lösungen!
Foto: Zwei Schnappschüsse aus TELOS-Traninings zum Thema Sexualität
Aufnahme: TELOS
Wegen einmal kurz Zahnweh rennt niemand zum Dentisten, ein verdorbener Magen ist meist kein Anlass für die Arztvisite. Wenn die Schmerzen aber länger anhalten und immer wieder kommen, dann zögert wohl niemand mehr, medizinische Hilfe anzunehmen. Bei seelischen Problemen hingegen, zögern wir Menschen oft jahrelang uns professionelle Hilfe zu holen. Und schleppen stattdessen unser Elend immer gleich weiter. Dabei ist es doch um jeden Tag schade, wo unser Lebensgefühl ernsthaft beeinträchtigt ist. Die gute Nachricht: es gibt Wege, es gibt Lösungen. Hier zwei besonders bewährte Hilfen aus unserem „Medizinkasten“:
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Mag. Magdalena Gasser
Institutsleitung, Personalentwicklung, Coaching